Genau in der Dorfmitte von Riefensberg im Bregenzerwald, auf einer leichten Anhöhe, findet man die Pfarrkirche zum heiligen Leonhard. Der Bau stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Seit damals ist die Kirche ein zentraler Treffpunkt der Einheimischen. Neben dem sonntäglichen Glockengeläut hört man aber auch Gläserklirren und Gelächter in den Straßen des kleinen Vorarlberger Ortes. Diese einladenden Töne führen zu einer weiteren Kommunikationsdrehscheibe: dem naheliegenden Wirtshaus „Im Bartle trifft man sich, um zu plaudern, zu gustieren, zu diskutieren und um gemeinsam Zeit zu verbringen. Das ist schon seit Generationen so – und darf durch unsere Genossenschaft noch viele Jahre so bleiben“, freut sich Richard. Wie ganz oft sitzt er gemeinsam mit Brigitte und Markus auf der Terrasse des Wirtshauses bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen.
„Alle Mehlspeisen hier sind hausgemacht. Eine Zuckerbäckerin aus dem Ort versüßt den Einheimischen aber auch vielen Gästen damit den Tag“, erzählt Brigitte, die ebenfalls zu den federführenden Gründungsmitgliedern der Genossenschaft „Üser Wirtshus“ zählt.
Starker Zusammenhalt mitten im Dorf
Alles begann mit dem plötzlichen Ableben des ehemaligen Wirtes Bartholomäus, der von den Einheimischen liebevoll Bartle genannt wurde. „Nach seinem Tod sollte das Gebäude verkauft werden und schnell waren auch schon auswärtige Investoren daran interessiert. Die hegten zwar ganz andere Pläne mit dem Gebäude. Aber wir wollten sicherstellen, dass es noch möglichst lange als Gasthaus erhalten bleibt und weiterhin von Einheimischen geführt wird. Deshalb fassten wir selbst den Kauf ins Auge“, berichtet Richard, der damals gemeinsam mit Walter und Anton einen ersten Informationsabend für die im Ort ansässigen Betriebe organisierte, um weitere Mitstreiter für das Vorhaben zu finden. Doch auch von der übrigen Bevölkerung kam äußerst gutes Feedback zur Idee. „Es war ein enormer Zulauf da und wir hatten die Finanzierung zur Übernahme des Dorfwirtes in weniger als einem Monat zusammen.
Aber – dann machten wir erste Berechnungen und stellten fest: Unser größtes Problem wird auf lange Sicht die Rentabilität sein. So fürchteten wir, dass unser Genossenschaftsprojekt aufgrund dieser Tatsache schon den Bach runter gehen würde, bevor es richtig begonnen hat. Wer würde denn noch sein Geld in so ein Wagnis stecken?“, erinnert sich Richard an die Stimmung von damals. Mit gemischten Gefühlen informierten die Gründungsmitglieder also alle Interessierten über die ersten Berechnungen und Prognosen. Doch zu ihrer großen Überraschung und allen Bedenken zum Trotz ließen sich die Einheimischen nicht mehr davon abhalten, den Kauf des Wirtshauses finanziell zu unterstützen und der Genossenschaft als Mitglieder beizutreten. Brigitte schildert den Moment: „Die Stimmung damals war: Wenn überhaupt, dann schaffen wir das nur alle miteinander! Da ist der uralte Grundgedanke einer Genossenschaft in den Vordergrund getreten. Die Einheimischen wollten sich an diesem gemeinschaftlichen Projekt, das dem ganzen Ort zu Gute kommt, beteiligen – selbst wenn sie persönlich davon keinen Profit erwarten konnten. Denn alle wussten, wie wichtig ein Wirt für die örtliche Gemeinschaft und das funktionierende Miteinander ist. Guter Zusammenhalt war schon immer da – aber mit der Übernahme vom Bartle ist die Dorfgemeinschaft noch stärker geworden“, erzählt Brigitte und strahlt dabei übers ganze Gesicht.
Verein oder Genossenschaft?
Noch vor dem Kauf ging es aber um die Frage nach der passenden Rechtsform für das gemeinsame Projekt. „Für uns kam ursprünglich entweder ein Verein oder eine Genossenschaft in Frage. Nachdem aber – und das wird oft übersehen – das Haftungsthema für die Verantwortlichen einer Genossenschaft wesentlich angenehmer ausfällt, als in einem Verein, war dann schnell klar, dass die Form der Genossenschaft für uns besser passt“, erzählt Markus und fügt hinzu: „Bei unserem ersten Informationsabend rund um den Gasthofkauf war zufällig auch Urs dabei.
Er ist bei Raiffeisen in Bregenz der zuständige Betreuer für Genossenschaften. Nachdem er ab der ersten Stunde mit im Boot war und uns bei der Erstellung eines Entwicklungskonzeptes geholfen hat, hatten wir von Beginn an einen super Experten an unserer Seite. Urs hat uns sehr gut betreut und uns alle Berührungsängste rund um das Thema Gründung und Genossenschaft genommen. Eigentlich hat er sich total in unser Projekt hineingelebt und immer das Beste für uns raus geholt“.
Gemeinschaftsprojekt
Nach dem Kauf und der Gründung im Jahr 2013 ging dann alles Schlag auf Schlag: Im Februar 2014 startete man – wieder gemeinsam – mit den Umbauarbeiten, denn bereits im Juli 2014 war die Neueröffnung vom Bartle geplant. Richard: „Ursprünglich war unsere Idee ja, das Wirtshaus an einen Einheimischen zu verpachten. Nachdem sich aber so schnell niemand gefunden hat, haben wir das Bartle ab der Neueröffnung vorerst selbst geführt. Es ist von Anfang an richtig gut gelaufen und wurde schnell immer mehr.
Bald mussten wir die Öffnungszeiten und unser Angebot erweitern. Wichtig für den Tourismus im Ort: Nun haben auch Gäste – etwa von Busreisen – eine schöne Einkehrmöglichkeit im Zentrum“. Das große Engagement der Gruppe sowie die vielen eingebrachten Arbeitsstunden haben sich jedenfalls ausgezahlt: Mittlerweile macht das Bartle seinem Namen „Üser Wirthus“ alle Ehre, denn mit vielen Stammgästen aus der Region ist es in der Tat das Gasthaus der Menschen vor Ort. Die Dorfjugend kommt lieber hier zusammen als irgendwo draußen auf der Straße, am Sonntag kehren die Kirchgänger noch schnell auf ein Plauscherl ein, junge Familien nutzen sehr gerne das Buffetangebot oder den Grilltag und auch die Senioren veranstalten ihre Treffen im Bartle. „Nachdem das Wirtshaus in den letzten Jahren so gut gelaufen ist, konnte nun auch eine Pächterin aus einer Nachbargemeinde gefunden werden. Sie hat das Wirtshaus gemeinsam mit ihrem Mann übernommen und sich schon sehr gut eingelebt. Also alles in allem eine Erfolgsgeschichte“ – resümiert Richard im Blick zurück und fügt sehr offen hinzu: „Auch wenn sie uns manchmal bis aufs Letzte gefordert hat. Ich bin mir außerdem sicher, dass diese Variante nicht in allen Gemeinden möglich gewesen wäre. Vielerorts ist die politische Situation nicht einfach und es gibt viel Neid. Das ist bei uns zum Glück nicht so. Uns war und ist das Miteinander wichtiger – und genau das braucht es vor allem für eine funktionierende und florierende Genossenschaft.“ Brigitte bringt es auf den Punkt: „Alle, die sich für diese Rechtsform entscheiden, sollten unbedingt am Gemeinschaftsgedanken und nicht zuerst und vor allem an der eigenen Profitmaximierung interessiert sein.“